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Es muss mehr als Kultur sein: Integration von Migrantinnen und Migranten im ländlichen Raum

Eine Workshop bei Prinz Chaos II auf Schloss Weitersroda - Kunst und Kultur können Grenzen überwinden - von der bereichernden Wirkung unterschiedlicher Sprachen und Herkünfte

Kunst und Kultur können Grenzen überwinden, unterschiedliche Sprache und Herkunft kann geradezu bereichernd wirken. Einer, der damit viel Erfahrung hat, ist der Schlossherr von Weitersroda bei Hildburghausen. Mit kulturellen Aktivitäten von der Kirmes bis zum Jazzfestival bieten die ländlichen Räume in Thüringen gute Voraussetzungen, so auch im Süden des Freistaates. Aber welche Möglichkeiten und Wege bieten kulturelle Aktivitäten bei der Integration von Geflüchteten im ländlichen Raum? Zu diesem Thema trafen sich Anfang Juli 50 Teilnehmer zu einem Workshop auf Schloss Weitersroda. Eingeladen hatten die Akademie Ländlicher Raum Thüringen, das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft und der Verein LandNetz Thüringen e.V..Die Moderation lag in den Händen des Vorsitzenden des Heimatbundes, Dr. Burkhardt Kolbmüller, Alfred Bax, Leiter des Projektes PARTHNER vom Heimatbund war einer der zahlreichen Gastredner.

Vertreten waren weiterhin die Abteilungsleiterin für Kunst und Kultur in der Thüringer Staatskanzlei, die Handwerkskammer, der Landesmusikrat, der Thüringer Heimatbund, Ökoherz, der Trachtenverband, Menschen stärken Menschen, die Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur und viele Initiativen, Einrichtungen und Projekte aus der Region.

Ein Regent und seine Obertanen

Eigentlich ist die Monarchie längst vorbei, Prinz Chaos der II. heißt mit bürgerlichem Namen Florian Kirner und entstammt einer bekannten Münchener Künstlerfamilie. Die Freiheit, sich Prinz zu nennen, hat er sich einfach genommen. Der unter anderm als Liedermacher tätige Mikromonarch von Weitersroda ist in der Welt herumgekommen, in Tokio, Hamburg, New York und in vielen anderen Metropolen dieser Erde. Allein, in Städten möchte er nicht mehr leben. Da war es gerade recht, dass der Prinz 2008 in einer Internetauktion seine südthüringische Residenz Schloss Weitersroda erstand und seitdem hier „residiert“. Was nicht heißt, dass er nicht mehr in der Welt unterwegs ist. Seitdem gab es Höhen und Tiefen, es gibt viele fleißige und ideenreiche Bewohner im Schloss, die sich mit Gartenbau, Buchhandel und vielem mehr beschäftigen. Seit neuestem können sogar Eltern mit Kindern im Schloss leben, das ist wegen den fortgeschrittenen Rekonstruktionen erst jetzt möglich geworden. Die Sitzrunde des Workshops fand unter der schattigen Baumkrone im Schlosshof statt. In der Pause labte das kalte Büffet aus der Küche mit dem vom Schlossherrn persönlich angemachten Kartoffelsalat. Hoheit ließ es sich nicht nehmen, die Tagungsgäste höchstpersönlich durch Schloss und Dorf zu führen. Die Torhalle des Baus stammt noch aus dem 15. Jahrhundert. Gleich in der Nachbarschaft befindet sich die kleine Fachwerksaalkirche, daneben stand Jahrzehnte der ehemalige Dorfgasthof leer, den Prinz Chaos für 1000,00 Euro bei der Auktion erstand. Die Mauern des gastlichen Hauses sind fast so alt, wie das Schloss. Bei einer Scheune dahinter hat sich ein Weitersrodaer vom Aufbauwillen des Prinzen anstecken lassen und die Scheune saniert.

Weitersroda – eines von vielen Thüringer Dörfern

Weitersroda, Stadtteil von Hildburghausen und doch ein Stück von diesem entfernt gelegen, könnte symbolisch für den ländlichen Raum in Thüringen stehen. Was gibt es denn eigentlich noch für Unterschiede zwischen Dorf und Stadt? Die Landbewohner gehen genauso wie Städter ins Internet, surfen, erfahren die Welt so auf digitalem Weg vom hintersten Dörfchen aus. Eigentlich sind das Dorfleben und die Abgeschiedenheit auf dem Lande doch nur noch eine Art Klischee. Landbewohner sind mit dem Auto schnell in der Stadt. Weitersroda hat dieselben Probleme wie viele Dörfer, die Kirmes gibt es nicht mehr, 2015 ist der dazugehörige Verein aufgelöst worden. In der hübschen kleinen Fachwerkkirche gleich neben dem Schloss wird nur noch zu besonderen Anlässen Gottesdienst gefeiert, eine Dorfkneipe fehlt. Treffpunkte bräuchte es, an denen man miteinander redet. Dorfbewohner vereinzeln sich, der Rückzug ins Private findet nicht nur in Weitersroda statt. Dörfer haben Probleme, die junge Generation geht weg, kommt vielleicht von Arbeit oder Studium ab und zu zurück, wenn das Vereinsleben lockt, die Menschen gebraucht werden oder aber das Einfamilienhaus anzieht.

Hier will Prinz Chaos mit seinem Schloss und den Bewohnern, seinen „Obertaninnen und Obertanen“, ein kultureller Mittelpunkt sein, ein Treffpunkt, eine Stelle des Dialogs. Gewiss, es gab Schwierigkeiten, räumt Prinz Chaos ein. Mittlerweile besuchen die Dorfbewohner wieder Feste im Schloss und schauen in der am Wochenende geöffneten Kneipe Sim­p­li­cis­si­mus rein.

Unter freien Himmel wurden die Gespräche weit

Dorfleben entsteht, wenn die Bewohner miteinander sprechen. Dialogkultur ist wichtig. Der Gesprächsort muss her. Ein Vereinsstammtisch bringt hier voran, wie ihn einige Teilnehmende praktizieren. Hier setzen sich Vereine unterschiedlichster Coleur an einen Tisch, z.B. der Feuerwehrverein, der Kegelverein und der Verein, der sich für Geflüchtete engagierte. Hier bekommen die Gesprächspartner ein Gefühl dafür, was die anderen bewegt, Verständnis entsteht. Aktionen werden gegenseitig unterstützt, auch für Geflüchtete.

Die Teilnehmenden des Workhops berichten von der Bereitschaft, Geflüchteten Wohnraum bereit zu stellen. Zum Teil unternahm man beträchtliche Bemühungen, um den Ankommenden ein Stück Geborgenheit zu geben. Vereine und Kirchen engagierten sich. Ein Weitersrodaer Hauseigentümer bot sogar sein Haus an, indes, das Angebot zur Unterbringung wurden leider nicht angenommen.

Die eigene Arbeit als wichtiger Schlüssel erfolgreicher Integration

Miteinander essen, kochen und singen sind gute Aktionen mit Geflüchteten, sie senden positive Signale, sind aber kein Allheilmittel. Das gegenseitige Kennenlernen der Kochkultur, der Tischsitten und der Musikkultur macht zwar schon offener, aber auf Dauer brauchen Ankommende mehr. Das kam in Gesprächen zum Tragen, die Workshopteilnehmer mit betreuten Geflüchteten führten. Ein Erfolg war das gemeinsame Wandern, einige Träger konnten sich bei Wiederholungsveranstaltungen förmlich nicht vor Mitwandernden „retten“. Wandern ist also eine gute Art, mit Ankommenden ins Gespräch zu kommen. Es muss aber noch viel mehr sein. Da wäre das Thema Arbeit. Ankommende wollen eigenes Geld verdienen, sich nützlich machen. Erfolgreiche Beispiele gibt es auf verschiedenen Bauhöfen. Arbeit ist Leben; Arbeit schafft Daseinsgrundlage, Selbstverständnis, Selbstanerkennung. In diese Richtung gehen auch die Überlegungen von Gastgeber Prinz Chaos, der vor allem drei Säulen bei einer wichtigen Integration sieht.: Wohnen, Bildung und Kleingewerbe. Wohnen darf nicht in abgeschirmten Einheiten erfolgen, Bildung ist das A und O. Hier geht es ihm vor allem darum, dass die deutsche Sprache erlernt wird. Seiner Meinung nach erhalten die Ankommenden zu wenig Möglichkeiten dazu. Arbeit, das ist für Prinz Chaos im Kleingewerbe möglich. Nicht immer wird es gleich erfolgreich sein, die Ankommenden in Angestelltenverhältnisse zu bringen. Aber wieso soll es nicht möglich sein, dass sie ihr eigenes Geschäft betreiben? Ein ehemaliger Mitbewohner von Schloss Weitersroda ist z.B. erfolgreich als Einrichter tätig und war auch an diesem Abend anwesend. Der Prinz stellte fest, dass die Dönerläden, die es seit Ende der 1970er Jahre überall gibt, ebenfalls auf Initiative türkischer Einwanderer entstanden. In der ganzen Diskussionsrunde fanden sich immer mehr Beispiele, wie Arbeit die Menschen zueinander bringt. Das gilt vor allem auch für den ländlichen Raum. Arbeit belebt ihn, Hand in Hand mit Kultur. So kann Heimat entstehen, für alle. Arbeit ist ein Teil von Heimat und braucht auch auf dem Land wieder einen Stellenwert.

Der Austausch der Konferenzteilnehmer war sehr rege, Kontakte untereinander kamen schnell zustande. Fazit des Gastgabers, Prinz Chaos: “Unser vegetarisches Catering kam hervorragend an, die zahlreichen Erfahrungsberichte aus der konkreten Praxis waren ausgesprochen ermutigend und das Fazit lautet eindeutig: Wir schaffen das, in Südthüringen!“

 

 

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